Trends in der Finanzbranche Teil 2 – Quo vadis, Finanzwelt?
Die im vorherigen Beitrag dargelegten digitalen Angebote und Möglichkeiten bilden den Ausgang einer ambivalenten Entwicklung. Data Analytics, künstliche Intelligenz sowie innovative Technologien wie Cloud Computing oder Smart Farming treiben die Entwicklungen in Richtung Nachhaltigkeit in vielfacher Weise vorwärts. Auch die Blockchain birgt trotz anhaltender Kritik als Energiefresser oder Umweltsünder nachweisliches Potenzial, ihr Gutes für den Umweltschutz zu leisten. Gleichzeitig öffnet die Digitalisierung im Finanzsektor durch ihre Geschwindigkeit sowie zunehmende Automatisierung und Anonymität Raum für Unsicherheit und Bedenken.
Der Klimawandel und seine schwerwiegenden Folgen wirken sich deutlich auf die Finanzwelt aus. ESG, Green Finance, Sustainable Finance oder nachhaltiges Investieren gelten mitunter als geflügelte Worte auf dem Finanzmarkt und sind auch jenseits der Aktienmärkte unter professionellen Investoren und Bänkern längst etabliert. Die Finanzierung in eine nachhaltige Entwicklung sowie der Erwerb oder die Investition in nachhaltige Finanzprodukte sind aktuell in aller Munde. Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Investitionen definiert sich mit den Worten des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock als das Verstehen und Einbeziehen von ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG) in die Investitionsanalyse und Entscheidungsfindung.
Die klimatischen Veränderungen stellen nicht nur für Mensch und Natur eine existenzielle Bedrohung und derzeit die unzweifelhaft größte Herausforderung unserer Zeit dar, sondern bilden einen elementaren Faktor für die Prosperität und das langfristige Wachstum der globalen Wirtschaft.
In seinem jährlichen Brief an die CEO’s großer Unternehmen sprach BlackRock-Vorsitz Larry Fink daher von einer „fundamentalen Umgestaltung der Finanzwelt“. Laut Finks Vision stehen wir am Anfang einer neuen, modernen Finanzwelt, massiver Kapitalumschichtungen sowie einer völligen Neujustierung der grundlegenden Anlagestrategie, die ihrerseits die Bemessung von Risiken und Einschätzung von Vermögenswerten maßgeblich beeinflussen wird.
Trotz bedrohlicher Risiken bergen die tiefgreifenden Veränderungen anhaltende Chancen und ein immenses Geschäftspotenzial für Banken, Vermögensverwaltungen, Finanzinstitute sowie institutionelle und private Anleger. „Nachhaltiges“ Investment umfasst nicht nur den Anlagegegenstand, sondern auch die Art und Weise der Investition. Die langfristige Finanzierung in eine positive Zukunft zahlt sich doppelt aus – sowohl gesellschaftlich als auch finanziell. Nachhaltigkeit in den Fokus des Finanzsektors zu rücken schafft neue Märkte und eröffnet ungeahnte Renditechancen.
Sowohl Bewusstsein als auch Interesse sind geweckt, doch das Wissen und konkrete Handlungsanreize hinken hinterher. Eine Studie von PwC fördert diesen Konflikt anschaulich zu Tage. Während ein überwiegender Teil der Befragten im Thema Nachhaltigkeit eines der zentralen Zukunftsthemen sehen und zudem reges Interesse an nachhaltigen Finanzprodukten äußerte, ist zwei Drittel der Befragten das entsprechende Angebot ihrer Bank weitgehend unbekannt.
Im Sinne der Nachhaltigkeit zu wirtschaften hat somit nicht nur ethische, sondern zunehmend auch wirtschaftliche Gründe und eröffnet erfolgsversprechende Wettbewerbsvorteile sowie maßgebliches Differenzierungspotenzial. Um dieses Potenzial ausschöpfen zu können, bedarf es struktureller Änderungen der entsprechenden Institutionen sowie flächendeckende Aufklärung und Kommunikation bei Kunden und Investoren.
Nachhaltig leben und die Umwelt schützen wollen die meisten, konkret danach zu investieren tun bisweilen die wenigsten. Trotz bisher zögerlichem Engagement wollen doch viele einen Beitrag für die Um- und Nachwelt leisten. Neben nachhaltigerem Konsum und einer nachhaltigeren Lebensführung sollen auch die gewählten Finanzprodukte und Anlageentscheidungen zur gewählten Lebensführung passen und einen Positivbeitrag leisten.
Grüne Banken wie die Umweltbank, die GLS Bank, die Triodos Bank, die EthikBank oder FinTech Startups wie Tomorrow, treffen den Nerv der Zeit und können immer mehr Kunden für sich gewinnen. BlackRock etabliert indes das Thema Nachhaltigkeit als neuen Investmentstandart und folgt damit anderen Unternehmen wie beispielsweise der französischen PNB Paribas AM oder der norwegischen DNB.
Die fortschreitende Zuspitzung der Klimakrise sowie der gesellschaftliche Druck entfachen eine Dynamik am Markt, der sich institutionelle als auch private Akteure und Unternehmen nicht entziehen können.
ESG-Kriterien sowie Nachhaltigkeitssiegel und -Ratings werden zunehmend zum allgemeinen Standard erhoben. Der Aktionsplan des europäischen Green-Deal ist umfassend und möchte die Wirtschaft Europas zu mehr Nachhaltigkeit überführen. Mit den Principles for Responsible Banking der UN wurde unlängst ein umfassendes Rahmenwerk geschaffen, durch das sich mittlerweile über 200 unterzeichnende Banken dazu verpflichten, im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen und dem Pariser Klimaabkommen zu agieren.
Obwohl Deutschland im europäischen Vergleich bislang eher auf den hinteren Plätzen verweilt, stoßen zunehmende regulatorische Tendenzen, die Klima-Taxonomie der EU-Kommission sowie die verabschiedete EU-Verordnung „über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor” weitere Entwicklungen an und zwingen Entscheider dazu, ihre Finanzinstrumente auf Nachhaltigkeit zu polen und klimatisch nachzurüsten. Auch die EU zeigt sich ambitioniert und schnürte gleich mehrere Maßnahmepakete und forderte zusätzlich einen EU-Standard für die Investition in grüne Anlagen. Im Zuge der Mifid-II-Richtlinien verpflichten sich Anlageberater und Vermögensverwalter dazu, ab dem Jahr 2022 Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden abzufragen.
„Nachhaltigkeit“ konkret zu messen, stellt die Finanzbranche vor besondere Herausforderungen. Wo Nachhaltigkeit drauf steht, steckt nicht zwangsläufig wirklich Nachhaltigkeit drin. Mit der Ankündigung einer Nachhaltigkeitsampel soll erneut dem sogenannten „Greenwashing“ entgegengewirkt werden, da sonst die Gefahr droht, auf die gewandelten Anforderungen unter dem Deckmantel der Nachhaltigkeit zu reagieren und Finanzprodukte lediglich mit einem „grünen Anstrich“ zu versehen, die jedoch nicht den inhaltlichen Kern betreffen und keine signifikant positiven Effekte für die Umwelt leisten.
Strikte regulatorische Bedingungen und Auflagen dienen so der lückenlosen Dokumentation und transparenten Vermittlung hintergründiger Prozesse. Neben einer umfassenden Kontrolle suggerieren sie darüber hinaus Sicherheit und erfordern zeitgleich ein Mindestmaß an Vertrauen in die jeweiligen Produkte und Dienstleister.
Informationen sorgen für dieses nötige Mindestmaß an Transparenz. Während Transparenz von Anlageinstrumenten und Investmentprozessen einen objektiven Charakter besitzt und durch Regulatorik sowie von Unternehmen und Institutionen bereitgestellt werden kann, ist Vertrauen subjektiver Natur. Je umfangreicher und kontinuierlicher der Informationsstrom fließt, desto weiter wächst das Sicherheitsgefühl der Menschen und es baut sich Vertrauen als eines der basalsten Elemente und Grundpfeiler eines funktionierenden Finanzsystems auf. Die Trias aus Vertrauen, Transparenz und Sicherheit verstärkt und bedingt sich dabei gegenseitig. Transparenz und umfassende Sicherheitsvorkehrungen erhöhen das Sicherheitsgefühl, beides vereint schafft Vertrauen. Banken, Vermögensverwaltungen, Finanzinstitute und -dienstleister tragen eine besondere Verantwortung gegenüber ihren Kunden bzw. deren Vermögen. Transparente und verstehbare Prozesse sorgen für ein umfassendes Sicherheits- und Vertrauensgefühl, das sich maßgeblich auf die Kundenbindung auswirkt. Umso drängender scheint, das noch bestehende Vertrauen zu stärken und Transparenz sowie Sicherheit sowohl im täglichen Bankengeschäft als auch bei den peripheren Prozessen zu erhöhen. Ein grundlegendes Vertrauen in die Finanzwelt wird durch die gegenwärtigen Entwicklungen und bereits genannten Punkte mehr denn je beansprucht. Das Image von Banken und Investoren wurde durch jüngste Skandale (GameStop, Wirecard oder Archegos) abermals beschädigt. Der Finanzsektor steckt seit Jahren in einem Vertrauenstief und bestehende Ressentiments werden durch aktuelle Ereignisse und technologische Entwicklungen weiter befeuert.
Das Fortschreiten der Digitalisierung und die damit einhergehenden Entwicklungen, haben im gleichen Atemzug die Cyberkriminalität und damit einhergehend die Sicherheitsanforderungen im Netz dramatisch erhöht. Das Thema Cyber-Sicherheit als Grundlage für Vertrauen, wird auch zukünftig umso eindrücklicher im Fokus des Interesses stehen und im Zuge der Dominanz digitaler Finanztransaktionen akut notwendig. Während automatisierte Systeme oder die Blockchain-Technologie zunehmend für die Speicherung und den Transfer von Daten, finanziellen Transaktionen sowie der Risikoeinschätzung und Fehlerprävention genutzt werden und durch die Balance aus notwendiger Transparenz und Verschlüsselung Vertrauen suggerieren, werden die technologisierten Prozesse zunehmend undurchsichtig.
Während Anonymität bislang mangelnde Kontrollmöglichkeit bedeutete und demnach gleichzeitig absolute Freiheit sowie ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für Außenstehende darstellte, verbinden Distributed Ledger Technologien (DLT) bzw. die Blockchain beide Komponenten. Aus CeFi (Centralized Finance) wird DeFi (Decentralized Finance). Zunehmende Anonymität und „kontrollierter Kontrollverlust“ durch die Dezentralisierung von Finanzaktivitäten sowie die Reduzierung von Schnittstellen und Intermediären innerhalb der Transaktionskette, sorgen für verschlankte Prozesse und dem Gewinn von Transparenz, Sicherheit und Datenschutz. DLT beherbergen somit das Potenzial, netzbasierte Oligopole und Monopole aufzubrechen und das Internet sowie die Finanzwelt zukünftig zu demokratisieren.
Doch neben Ängsten rund um die Digitalisierung ist und bleibt der „Faktor Mensch“ eine der größten Sicherheitslücken. Social Engineering, beispielsweise durch Phishing, ist aufgrund der fortwährenden Vernetzung sowie multifunktionaler Apps und Anwendungen so erfolgsversprechend wie nie. Groß angelegte Hacker-Angriffe auf öffentliche Institutionen, Finanzinstitute und -Dienstleister sowie Unternehmen und Privatpersonen nehmen rasant zu.
Manager Marketing & Communications
CURE Intelligence
Während ihres Bachelor-Studiums in Soziologie fand Sophia über ein Praktikum den Weg zu CURE. Als Marketing & Communications Managerin unterstützt sie das Team und ist Ansprechpartnerin für den TREND FINDEX, unseren monatlichen Trend Report im FINANZSEKTOR. Parallel absolviert Sie ein Masterstudium in Wirtschaftssoziologie an der Universität Trier.